zum 4. Fastensonntag 2013: Laetare: 15,1-3.11-32
Um den böswilligen Nachstellungen des jüdischen Synedriums zu entkommen, hat sich Jesus in die Nähe von Jericho mit den Aposteln in eine einfache Hütte, die sonst den Landarbeitern des Lazarus als Unterkunft dient, zurückgezogen. Täglich kommen mehr Menschen mit dem Wunsch nach seelischer und körperlicher Heilung. So auch eine Mutter mit ihrem gelähmten kleinen Knaben, der von einem Herodianer mit seinem Pferdewagen umgefahren wurde und seitdem nur noch unter starken Schmerzen auf dem Rücken liegen kann. Jesus nimmt das Kind, das unbedingt bei ihm sein will, auf die Knie und unterrichtet die Zuhörer darüber, wie wichtig die Sabbatruhe ist und wie die wahre Heiligung des Feiertages sein soll:
„… Die Heiligung des Sabbats, also die körperliche Ruhe, ist eine Scheinhandlung, wenn sie nicht gepaart ist mit einer inneren, seelischen, heiligen Arbeit ehrlicher Selbsterforschung, einer demütigen Selbsterkenntnis seiner eigenen Erbärmlichkeit, einem ernsthaften Vorsatz, sich während der kommenden Woche besser zu verhalten.
Ihr werdet sagen: „Doch wenn man dann von neuem in die Sünde fällt?“ Was würdet ihr von einem Kinde halten, das, weil es gefallen ist, keinen Schritt mehr machen wollte, um nicht wieder zu fallen? Dass es ein Dummkopf ist, dass es sich nicht zu schämen braucht wegen seiner Unsicherheit beim Gehen, denn alle sind wir unsicher gewesen, als wir noch klein waren, und dass unser Vater uns deswegen doch geliebt hat. Wer erinnert sich nicht, wie uns das Umfallen eine Flut mütterlicher Küsse und väterlicher Liebkosungen eintrug?
Dasselbe tut unser allergütigster Vater, der im Himmel ist. Er neigt sich über seinen Kleinen, der am Boden weint, und sagt: „Weine nicht! Ich werde dich aufheben. Das nächste Mal wirst du vorsichtiger sein. Komm in meine Arme. Da wird alles Weh vergehen, und du wirst gestärkt, geheilt und glücklich daraus hervorgehen.“ Das sagt unser Vater, der im Himmel ist. Das sage ich euch. Wenn es euch gelingen würde, den Glauben an den Vater zu haben, würde euch alles gelingen. Einen Glauben, gebt acht, wie jener eines Kindes! Das Kind hält alles für möglich. Es fragt nicht, ob und wie etwas geschehen kann. Es ermisst die Tragweite eines Geschehens nicht. Es glaubt dem, der in ihm Vertrauen erweckt, und tut, was er ihm sagt. Seid wie die Kinder vor dem Allerhöchsten. Wie liebt er diese verirrten Engelchen, welche die Schönheit der Erde sind! Genauso liebt er die Seelen, die einfach, gut und rein sind wie ein Kind.
Wollt ihr den Glauben eines Kindes sehen, um zu lernen, wie man Vertrauen haben muss? Seht! Ihr alle habt den Kleinen bemitleidet, den ich hier an meiner Brust halte und der, entgegen den Aussagen der Ärzte und der Mutter, beim Sitzen auf meinem Schoß nicht geweint hat. Seht ihr? Das Kind tat schon längere Zeit nichts anderes, als Tag und Nacht zu weinen, ohne Ruhe zu finden; hier weint es nicht. Es ist friedlich an meinem Herzen eingeschlafen. Ich habe es gefragt: „Willst du in meine Arme kommen?“ Es hat geantwortet: „Ja“, ohne an seinen elenden Zustand zu denken, an den möglichen Schmerz, den es infolge einer Bewegung hätte empfinden können. Es hat in meinem Antlitz Liebe gesehen und „Ja“ gesagt und ist gekommen. Es hat keinen Schmerz mehr empfunden. Es hat sich darüber gefreut, hier oben zu sein, alles sehen zu können, auf einen weichen Körper gesetzt zu werden und nicht mehr auf dem harten Brett liegen zu müssen. Es hat gelächelt, gespielt und ist mit einer Locke meiner Haare in den kleinen Händen eingeschlafen. Nun will ich das Kind mit einem Kuss wecken…“ und Jesus küsst das Kind auf die braunen Härchen, und es erwacht mit einem Lächeln.
„Wie heißt du?“
„Johannes.“
„Höre, Johannes, willst du gehen? Willst du zu deiner Mutter gehen und ihr sagen: ‚Der Messias segnet dich deines Glaubens wegen?‘ „
„Ja, ja“, und der Kleine klatscht in die Händchen und fragt: „Du machst, dass ich gehen kann? Auf die Wiesen? Ohne das harte Brett? Ohne die Ärzte, die mir weh tun?“
„Nicht mehr, nie mehr!“
„Oh, wie ich dich liebe!“, und das Kind wirft seine Ärmchen um den Hals Jesu und küsst ihn, und um ihn noch besser küssen zu können, kniet es mit einem Ruck auf die Knie Jesu, und eine Menge unschuldiger Küsse fällt auf Stirn, Augen und Wangen Jesu.
Das Kind, mit seinen anhin gebrochenen Knochen, bemerkt in seiner Freude nicht einmal, dass es sich bewegen kann. Aber der Schrei der Mutter und der Menge wecken es auf, und es blickt erstaunt um sich. Seine großen unschuldigen Augen im abgemagerten Gesichtlein schauen fragend. Immer noch auf den Knien, sein rechtes Ärmchen um den Hals Jesu gelegt, fragt es vertrauensvoll, indem es auf die aufgeregten Menschen und auf die Mutter im Hintergrund zeigt, die in einem fort: „Johannes, Jesus, Johannes, Jesus!“ ruft, „warum schreien die Leute und die Mutter? Was haben sie denn? Bist du Jesus?“
„Ich bin es. Die Leute schreien, weil sie froh sind, dass du wieder gehen kannst. Leb wohl, kleiner Johannes.“ Jesus küsst und segnet das Kind. „Geh zu deiner Mutter und sei lieb!“
Das Kind rutscht selbstsicher von den Knien Jesu, rennt zur Mutter, wirft sich ihr an den Hals und sagt: „Jesus segnet dich. Warum weinst du?“
Als die Leute sich beruhigt haben, ruft Jesus laut: „Macht es wie der kleine Johannes, ihr, die ihr in Sünde fallt und euch verletzt. Glaubt an die Liebe Gottes. Der Friede sei mit euch!“
Während sich die Hosannarufe der Menge mit dem glücklichen Weinen der Mutter vermengen, verlässt Jesus, von den Seinen geschützt, den Raum.
Das ist das Ende.
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Auszug aus “Der Gottmensch″, Band III von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch
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