Posts Tagged ‘Liebe’

Hl. Rafael Arnaiz Baron (15)

20/07/2011

Am 11. Oktober 2009 wurde der spanische Trappist Rafael Arnaiz Baron (1911-1938) heilig gesprochen. Dieser mit 27 Jahren in der Abtei San Isidro de Duenas verstorbene Mystiker beeindruckt durch seine tiefe Spiritualität und sein einfaches und frohgemutes Wesen, mit dem er vertrauensvoll sein Kreuz auf sich nahm. Dank der freundlichen Genehmigung  der Herausgeberin und des Bernardus-Verlags, bei dem die Gesamtausgabe der Schriften des Heiligen bestellt werden können („Nur Gast auf Erden?“),  veröffentlichen wir hier Auszüge aus denselben.

Den folgenden Brief schrieb er von seinem Elternhaus aus an seine Tante (mit der er verabredet hatte, sich gegenseitig mit ‘Bruder’ und ‘Schwester’ anzureden), nachdem er ca. 2 Jahre vorher die Abtei aufgrund seiner Erkrankung  verlassen musste. 

An seine Tante Maria, Herzogin von Maqueda, von Oviedo aus

15. Dezember 1935 – 3. Adventssonntag – im Alter von 24 Jahren

Liebste Schwester! (…) 

Morgen muss ich nach der hl. Messe zur Werkstatt, um etwas – ich weiss nicht was – am Auto herrichten zu lassen. Nun gut, ich tue es mit wahrer Freude. Ich sehe Gott zwischen dem Öl und den Schrauben… Ich denke daran, dass die Mechaniker um mich herum Gott nicht kennen, und bete für sie… Ich kenne Ihn; Er ist auch dort an meiner Seite. Ich rede über alles und mit allen und tue es sehr gern; denn es ist der Herr, der es so haben möchte. Ich übe mich in der Geduld, in der Liebe, in der Nächstenliebe… Aber nimm nur ja nichts Großartiges an, denn es kostet mich keine Mühe; ich sagte ja schon, dass ich all das mit Freude tue. Wie sollte ich es nicht? Gott ist in mir; ich habe Ihn am Morgen empfangen, und er begleitet mich durch den ganzen Tag. Es gibt keinen Kampf mehr, nichts reizt mich mehr… Warum wohl?

Früher wollte ich, dass alle Welt im Schweigen verharren, alle Welt Gott erkennen und allein schon beim Anklingen des Namens des Herrn sogar die Straßenbahnen innehalten sollten. Es war eine besondere Art, Gott zu lieben, und auch Liebe zu mir selbst, die besonderer Art war. Ich weiss nicht, ob du mich verstehst, aber in der äusseren Sammlung suchte ich mich selbst.

Jetzt ist es nicht mehr so, dank sei Gott und der Jungfrau Maria! Und wenn mich ein Mitmensch für eine Sache braucht, die nicht Gott ist, dann tue ich es im Namen Gottes… So erfülle ich zwei Dinge gleichzeitig, aber ganz besonders das Eine: ich erfülle Seinen heiligen Willen.

Mut, Schwesterlein, Du kannst fliegen, o ja, das glaube ich! Die Welt soll Dich nicht beunruhigen; bereite einen Tabernakel in Deinem Herzen und gib dem Herrn Raum darin. Und Du selbst? Was soll’s? Du bist der Tempel, in dem sich dieser Tabernakel befindet… Du bist der Tempel, in dem Gott verborgen lebt. Öffne deine Türen und mach keinen Hehl daraus! Sei wie diese bescheidenen Kapellchen, von Zerstörung bedroht durch unbarmherzige Witterungseinflüsse. Es soll Dir nichts ausmachen, wenn hin und wieder neue Dachziegel eingesetzt oder der Glockenturm repariert werden muss… Alles, was Lehm und Materie ist, wird abgenutzt und fällt manchmal zusammen, aber das macht nichts, denn alles kommt wieder in Ordnung. Dein Weg ist der kleine Pfad, und Du musst keine großen Dinge vollbringen… Aber wer sagt Dir denn, dass der Laienbruder nicht sehr hoch flog und dass er sich nicht – während er den kleinen Krug in einer Hand hielt – mit der anderen an Gottes Hand festhielt? (*)

(…) Der Gedanke, dass Gott Dich liebt, wird Dir Flügel verleihen… Dieser Gedanke muss Dir genügen. Du wirst Dich in der Welt bewegen, und die Welt wird es nicht bemerken… Und wenn Du jetzt Gelegenheit gibst, dass die Geschöpfe Unfreundlichkeit in Dir sehen statt Geduld, Ungeduld statt Liebe, und wenn Du Dich verdriesslich zeigst, wo Ruhe und Milde herrschen sollten…, dann misstraue der Sache, Schwesterlein, misstraue (vielleicht bin ich hart), aber dann bist Du entweder nicht demütig oder der Teufel steckt dazwischen…

Mach Dir keine Sorgen, denn alles geht vorüber! Du wirst sehen, wie sich der böse Geist mit der Hilfe Mariens zurückzieht. Zögere nicht, Dich Gott ganz hinzugeben. Wenn Du Dir nur bewusst würdest, wie sehr Er Dich liebt!

Du würdest gerne fliegen und nicht wieder herunterkommen… Aber Du kannst dort, wo Du bist, so viel Gutes tun. (…)

Ich bin sehr zufrieden, obwohl mir heute etwas fehlt: ich konnte nicht kommunizieren. Mein Vater hat mich nicht geweckt. Ich habe eine ziemlich schlechte Nacht hinter mir und weiss nicht warum… Aber an den Tagen, an denen ich den Herrn nicht empfangen kann, fehlt mir die Mitte, dann vermisse ich etwas, was für mich alles bedeutet. Kurz und gut, der Herr sei gepriesen!

Ich weiss nicht, ob ich mit meinem Brief das Richtige getroffen habe, aber schau – ich wiederhole es -, nimm heraus, was Dir zusagt, und lass das übrige. Ich möchte nicht, dass ich vielleicht – und trotz meiner guten Absicht – Anlass gebe, dass Du durcheinander gerätst. Verstehst Du mich? Ein andermal schreibe ich Dir mehr.

Onkel Polin erzählte mir, dass er Dich habe weinen sehen beim Lesen einer meiner Briefe…; mach bitte keinen Unsinn!

Nimm entgegen die ungeheuer große Liebe Deines Bruders,

Bruder Maria Rafael O.C.R.

Lass uns in der Zwischenzeit die Krippe für das Jesuskind bereiten.

.

___________________

(*) In der ‚Ballade von den Zweifeln des Laienbruders‘ von Josef Maria Peman

zurück an den Anfang der Bruder Rafael-Reihe

Hl. Rafael Arnaiz Baron (13)

18/02/2011

Am 11. Oktober 2009 wurde der spanische Trappist Rafael Arnaiz Baron (1911-1938) heilig gesprochen. Dieser mit 27 Jahren in der Abtei San Isidro de Duenas verstorbene Mystiker beeindruckt durch seine tiefe Spiritualität und sein einfaches und frohgemutes Wesen, mit dem er vertrauensvoll sein Kreuz auf sich nahm. Dank der freundlichen Genehmigung  der Herausgeberin und des Bernardus-Verlags, bei dem die Gesamtausgabe der Schriften des Heiligen bestellt werden können („Nur Gast auf Erden?“),  veröffentlichen wir hier Auszüge aus denselben.

An seine Tante Maria, Herzogin von Maqueda, von Oviedo aus

11. November 1935 – Montag – im Alter von 24 Jahren

(TEIL 2)

(zurück zu TEIL 1 dieses Briefes)

Wie einfältig bin ich, mein Gott! Wie wirst du über mich lachen, liebste Schwester! Aber das macht mir nichts aus. Ich habe mir vorgenommen, Dich dahin zu bringen, die Gottesmutter sehr zu lieben, weil ich erkenne, dass es das erste ist, was du tun musst, um heilig zu werden. Und da dir noch viel fehlt, sage ich Dir: der schnellste Weg, um anzufangen Gott zu lieben, ist der, Seine Mutter innig zu lieben. Siehst du einen anderen? Sag es mir mit aller Klarheit, so wie ich es auch Dir deutlich sage! Zeig mir meine Fehler oder wenigstens diejenigen, die Du beobachtet hast! Ich tue es auch bei Dir.

Beim Aufstieg müssen wir viele Dinge nach und nach abschleifen und andere aufgreifen, die uns zur Erklimmung des Berges der Vollkommenheit erforderlich sind. Manchmal genügen wir uns nicht selbst, um uns wirklich zu kennen, und wenn wir in den anderen nur Vollkommenheiten und Tugenden sehen und es ihnen auch noch sagen, haben wir eine falsche Liebe zu ihnen – jedenfalls kommt es mir so vor. Und was Dich und mich betrifft, sind wir so gering und so armselig und elend, dass es wirklich eine Schande ist, dass wir – mit allem, was uns Gott gegeben hat – noch nicht heilig sind.

Wie ist es nur möglich, mein Gott, so zu leben? Wie ist es möglich, so vielen Gnaden, so vielem Trost, so vielem Licht und so grosser Klarheit, wie Du uns schenkst, zu widerstehen? Sehr elende Wesen müssen wir sein, wenn Du uns, damit wir Dich ein wenig lieben, so unendlich viel geben musst. Wieviel Geduld bringst Du auf, Herr! Anderen hätte der hundertste Teil genügt von dem, was Du uns gibst, um sich Dir ganz zu schenken… Und doch: trotz unseres Widerstandes Deiner Gnade gegenüber gibst Du nicht nach und bestehst hartnäckig darauf, Dein Werk fortzusetzen und ein wenig Liebe von uns zu bekommen. Wie blind sind wir, wie schwerfällig! Wieviel Lehm und Schmutz haften an uns, die uns daran hindern, Dir entgegenzufliegen!

Aber es ist nie zu spät, mein Gott. Jetzt geben wir Dir voll und ganz das, wozu wir vorher so lange gebraucht haben, es Dir zu überlassen. Einverstanden, Tante Maria? Wie armselig sind wir, und wie sehr liebt uns Gott! Nie werden wir es ganz verstehen. Lass uns jetzt tun, was wir können, denn der Herr ist schon mit wenig zufrieden!

Bruder Rafael mit seiner Tante Maria

Heute habe ich den Herrn gefragt, ob ich Dir das alles schreiben soll. Es sieht aus, als habe Er mir zu verstehen gegeben, dass wir – wenn Er durch uns etwas in einer Seele wirken kann – grossmütig sein sollen und uns anbieten müssen und nicht das „Licht unter den Scheffel stellen“ dürfen. Ich versichere Dir, liebe Schwester, der Herr hat mir so viel Licht gegeben, dass ich nicht weiss, was ich anfangen soll. Wenn ich es nur irgendwie mitteilen könnte! Trotz allem bin ich so glücklich! Der Herr ist so gut zu mir! Tante Maria, ich habe Angst! Ich weiss nicht, was mit mir los ist!

Gut, ich will Dir nicht von mir reden. Wozu? Ich sage Dir aber, dass es mir gesundheitlich weiterhin gut geht. Jetzt passe ich besser auf mich auf. Mein Leib gehört nicht mir, sondern Gott, und wenn ich ihn in Seinen Dienst stellen will, muss er so gesund wie möglich sein, obwohl das nicht so wichtig ist. Ich zähle schon die Tage… Hier läuft alles ganz normal.

Ist Onkel Polin aus Toro zurück? Auch wenn es Dir schwerfällt, erzähl mir alles, was Euch betrifft, weil es auch mich angeht! Wie geht’s Pili? Oft denke ich an Euch alle und besonders an Dich. Nun gut, wie gross ist Gott, und was lässt Er nicht alles zu! Er wird wissen, warum.

Die Aufmerksamkeit mit dem Bildchen, das Du mir schicktest, ist eine Aufmerksamkeit Gottes. Wie gut bist Du! Ich habe nichts, was ich Dir senden könnte, es sei denn das Salve, das ich Dir versprach. Ich weiss nicht, ob Du es lesen kannst; das Bildchen ist nichts wert. P. Vicente, ein Trappist, gab es mir, als ich die Abtei verliess, damit ich die Gottesmutter nicht vergessen sollte. Jetzt, wo ich dorthin zurückkehre, ist es vielleicht Dir von Nutzen. Als ich so krank war, habe ich oft vor diesem Bild geweint und an die ‚Trapa‘ gedacht… Was will man machen? Das sind Schwächen… Gott lässt sie zu, und wer hat sie nicht?

In diesen Tagen schreibe ich Dir häufiger, und das tröstet mich sehr: auch eine Schwäche!

Gut, ich höre auf. Heute habe ich überhaupt keine Zeit. In einem der nächsten Briefe erzähle ich Dir von meinem Leben zu Hause und von dem, was ich tue, damit wir dann unsere Gebetszeiten aufeinander abstimmen können. Für heute verabschiede ich mich. Antworte mir, auch wenn es nur mit zwei Zeilen ist. Tust Du es?

Nimm an die riesengroße Liebe zu Dir von Deinem

Bruder Maria Rafael

zurück an den Anfang der Bruder Rafael-Reihe

weiter zum nächsten Auszug aus den Schriften von Bruder Rafael

 

21. Januar: Gedenktag der hl. Agnes

21/01/2011

(…) Ich meinte also, etwas wie einen Portikus (ein Peristyl oder Forum) im antiken Rom zu schauen. Ich sage „Portikus“, denn da war ein schön gepflasterter Marmorfußboden, ein Mosaik, und weiße Marmorsäulen, die eine gewölbte Decke stützten, die ebenfalls mit Mosaiken geziert war. Es hätte der Portikus eines heidnischen Tempels oder eines römischen Palastes sein können, oder die Kurie, oder das Forum. Ich weiß es nicht.

Gegen eine Wand hin stand eine Art Thron auf einer Marmorplattform mit einem Sitz darauf. Darauf saß ein antiker Römer in einer Toga. Später verstand ich, dass es der kaiserliche Präfekt war. Vor den anderen Wänden große und kleine Götterstatuen und Dreifüße für Weihrauchschalen. Mitten in dem Saal oder dem Portikus befand sich ein freier Raum mit einem großen weißen Marmorstein. An der dem Thronsessel des Richters gegenüber liegenden Wand war eine Öffnung zu dem eigentlichen Portikus hin, hinter dem man den freien Platz und die Straße sah.

Während ich diese Einzelheiten und das finstere Gesicht des Präfekten beobachtete, traten drei junge Mädchen in das Vestibül, den Portikus oder den Saal (was Sie davon wollen) ein.


Eines war blutjung: fast noch ein Kind. Ganz weiß gekleidet: eine Tunika bedeckte sie vollständig und ließ nur den schlanken Hals und die kleinen Hände mit den kindlichen Handgelenken sehen. Sie war blond und unverschleiert. Schlicht gekämmt, mit einem Mittelscheitel und zwei schweren langen, auf die Schultern fallenden Zöpfen. Das Gewicht der Haare war derartig, dass es ihr den Kopf leicht nach hinten bog und ihr so unwillkürlich die Haltung einer Königin gab. Zu ihren Füßen tummelte sich blökend ein wenige Tage altes Lämmchen, ein ganz weißes mit rosigem Mäulchen, wie der Mund eines Kleinkindes.

Einige Schritte hinter dem Mädchen standen die anderen beiden jungen Mädchen. Eine fast gleichaltrig, aber etwas robuster und von etwas volksmäßigerem Aussehen. Die andere war erwachsener: ungefähr 16 bis höchstens 18 Jahre alt. Auch sie waren weiß gekleidet, hatten jedoch das Haupt verschleiert. Ihre Kleidung war bescheidener. Sie schienen Dienerinnen zu sein und blieben der ersten gegenüber in respektvoller Haltung. Ich verstand, dass dies Agnes war, die ihr Gleichaltrige war Emerentiana, wer die andere war, weiß ich nicht.

Agnes schritt lächelnd und selbstsicher auf die Plattform des Richters zu. Und hier hörte ich den folgenden Dialog:

„Du hattest mich zu sehen gewünscht? Hier bin ich.“

„Ich glaube nicht, dass du das noch wünschen nennen wirst, wenn du erfährst, weshalb ich dich hierher befahl. Du bist Christin?“

„Ja, durch die Gnade Gottes.“

„Bist du dir klar darüber, was dir dieses Eingeständnis eintragen kann?“

„Den Himmel.“

„Gib Acht! Der Tod ist scheußlich, und du bist noch ein Kind. Lächle nicht, ich scherze nicht.“

„Auch ich nicht. Ich lächle dir zu, denn du bist der Brautführer zu meiner ewigen Hochzeit, und dafür bin ich dir dankbar.“ (*)

„Denke doch eher an die irdische Hochzeit. Du bist schön und reich. Viele denken bereits an dich. Du brauchst nur zu wählen, um eine glückliche Patrizierin zu werden.“

„Ich habe meine Wahl schon getroffen. Ich liebe den Einzigen, der geliebt zu werden würdig ist, und diese ist jetzt meine Hochzeitsstunde, dieser hier ist mein Hochzeitstempel. Ich höre die Stimme des göttlichen Bräutigams und sehe schon seinen liebevollen Blick. Ihm opfere ich meine Jungfräulichkeit, damit Er sie zu einer Ewigkeitsblume mache.“

„Wenn es dir um diese geht und zugleich um dein Leben, dann opfere sofort den Göttern. So will es das Gesetz.“

„Ich habe einen einzigen wahren Gott, und Ihm opfere ich gern.“

Und hier schien es, dass einige Gehilfen des Präfekten Agnes ein Gefäß mit Weihrauch gaben, den sie auf einen von ihr gewählten Dreifuß vor eine Gottheit schütten sollte.

„Das sind nicht die Götter, die ich liebe. Mein Gott ist unser Herr Jesus Christus. Ihm, den ich liebe, opfere ich mich selbst hin.“

Mir schien es, dass in dem Augenblick der erzürnte Präfekt seinen Gehilfen Befehl gab, Agnes Handschellen anzulegen, um sie an der Flucht zu hindern oder zu verhindern, dass sie irgend eine unehrerbietige Handlung gegen die Götterbilder vornehme, da sie von da an als eine Übeltäterin und eine Gefangene betrachtet wurde.

Aber die Jungfrau wandte sich lächelnd an den Henker und sagte: „Rühre mich nicht an. Ich bin hierher gekommen, weil die Stimme des göttlichen Bräutigams mich hierher ruft und mich vom Himmel zu der ewigen Hochzeit einlädt. Ich brauche deine Armbänder und deine Ketten nicht. Nur wenn du mich zum Bösestun ziehen wolltest, müsstest du sie mir anlegen. Aber (vielleicht) würden sie nichts nützen, weil mein Herr und Gott sie überflüssiger als einen Hanffaden am Puls eines Riesen machen würde. Aber um zum Tode, zur Freude, zur Hochzeit mit Christus zu gehen, nein, dazu sind deine Ketten unnütz, mein Bruder. Ich segne dich, weil du mich das Martyrium erleiden lässt. Ich fliehe nicht. Ich liebe dich und bete für deinen Geist.“

Schön, weiß, aufrecht wie eine Lilie, war Agnes in dieser Vision eine Himmelsvision…

Der Präfekt verkündete den Urteilsspruch, den ich nicht gut hören konnte. Es kam mir so vor, als ob da eine Lücke wäre, während der ich Agnes aus den Augen verlor, denn meine Aufmerksamkeit wurde auf die vielen Leute in meinem Zimmer abgelenkt.

Später sah ich die Märtyrerin wieder, noch schöner und frohen Mutes. Ihr gegenüber eine kleine goldene Jupiterstatue und ein Dreifuß. An ihrer Seite der Henker mit schon gezogenem Schwert. Man schien einen letzten Versuch zu machen, um sie zu beugen. Aber Agnes schüttelte mit leuchtenden Augen das Haupt und stieß mit ihrer kleinen Hand die Statue zurück. Das Lämmchen hatte sie nicht mehr zu ihren Füßen, es lag inzwischen auf den Armen der weinenden Emerentiana.

Ich sah, wie sie Agnes inmitten des Saales auf dem Fußboden niederknien hießen, an der Stelle, an der sich der große weiße Marmorstein befand. Die Märtyrerin sammelte sich mit über der Brust gekreuzten Händen und zum Himmel gerichteten Blick. Tränen einer übermenschlichen Freude perlten ihr aus den Augen, während sie in eine sanfte Kontemplation entrückt war. Ihr Antlitz lächelte, ohne dass es blasser als vorher wurde.


Einer der Gehilfen ergriff ihre Zöpfe, als wären sie ein Seil, um ihren Kopf festzuhalten. Aber das war nicht nötig.

„Ich liebe Christus!“ rief sie, als sie den Henker das Schwert erheben sah, und dann sah ich dasselbe zwischen der Schulter und dem Schlüsselbein eindringen und die rechte Halsschlagader öffnen und die Märtyrerin nach links zu Boden sinken, wobei sie ihre kniende Haltung bewahrte, so wie jemand, der sich zum Schlafen niederlegt, zu einem seligen Schlaf, denn das Lächeln wich nicht von ihrem Antlitz und verschwand nur unter dem Blutstrom, der wie aus einem Becher aus der aufgeschlitzten Kehle quoll.

Hier haben Sie nun die Vision des heutigen Abends. Ich erwartete ungeduldig den Moment, allein zu sein, um sie niederzuschreiben und sie noch einmal im Frieden zu betrachten.

Sie war so schön, dass ich, während ich sie erhielt – und mir rannen Tränen herunter, die, glaube ich, in dem Halbdunkel des Zimmers den Anwesenden verborgen blieben. Ich blieb mit geschlossenen Augen, teils, weil ich ganz in der Betrachtung gefangen genommen war und mich konzentrieren musste, teils um glauben zu machen, ich schliefe, denn ich möchte ja nicht bemerken lassen… wo ich mich befinde – es nicht ertragen konnte, alltägliches und ach, so menschliches Geschwätz bruchstückweise in der Schönheit der Vision immer wieder hochkommen zu hören, und deswegen habe ich: „Seid doch still, still“ gesagt, so, als ob die Geräusche mir lästig wären. Aber das war es nicht. Ich wollte nur allein sein, um mich im Frieden der Kontemplation hinzugeben. Das ist mir schliesslich gelungen. (…)


(*) Von „Auch ich nicht…“ bis „und Ihm opfere ich gern“. In dem Manuskript ist der in den fünf Absätzen enthaltene Text komprimiert wir folgt enthalten: „Auch ich nicht. Ich lächle dir zu, denn du bist der Brautführer zu meiner ewigen Hochzeit, und dafür bin ich dir dankbar.“ „Opfere den Göttern. So will es das Gesetz.“ „Ich habe einen einzigen wahren Gott, und Ihm opfere ich gern.“

Später hat die Schriftstellerin jedoch das ganze Stück durchgestrichen und quer darüber geschrieben: Nach dem Diktat von Agnes korrigiert, und auf ein loses Blatt, das sie in das Heft einfügte, vermerkt: Während meiner Danksagung nach der hl. Kommunion sagte mir die Märtyrerin Agnes: „Du hast richtig berichtet. Aber du hast einen Punkt vergessen. Korrigiere es so und lass es so abschreiben.“…. Und hierauf folgt der Abschnitt, den wir an Stelle des von der Schriftstellerin durchgestrichenen gedruckt haben. Sie fügt am Ende hinzu:

In der Tat, bei all dem Geschwätz, das ich um mich her hatte, und den 6 Stunden, die zwischen der Vision und der Niederschrift lagen, war mir, wenn ich auch ein gutes Gedächtnis habe, dieser Teil des Dialogs entfallen, den ich sehr wohl gehört hatte, wie ich mich erinnerte, als die Märtyrerin ihn mir wiederholte. Ich bin froh, dass ich diese meine Auslassung wegen der Güte der Heiligen korrigieren und die genaue Version des Dialogs wiedergeben darf.

Auszug aus “Die Hefte 1944“ von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit der Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch

2. November: Allerseelen

02/11/2010

Die in die Flammen des Fegefeuers getauchten Seelen leiden einzig und allein aus Liebe

17. Oktober [1943]

Jesus sagt:

„(…) Wenn sie [Anm: die Seelen] dann in den Reinigungsort eingetaucht sind, werden sie den sühnenden Flammen ausgesetzt. 

Soweit sagen diejenigen, die über den Reinigungsort sprechen, das Rechte. Worin sie jedoch nicht Recht haben, ist, dass sie jenen Flammen verschiedene Namen geben wollen.

Sie sind ein göttlicher Liebesbrand. Sie reinigen, indem sie die Seelen vor Liebe entbrennen lassen. Sie verleihen göttliche Liebe, weil sie nämlich dann, wenn die Seele in den Flammen die in ihrem Erdenleben nicht geübte Liebe erreicht hat, daraus befreit wird und sich im Himmel der göttlichen Liebe verbindet.

Diese Lehre kommt dir anders als die bekannte vor, nicht wahr? Bedenke aber:

Was wünscht der Eine und Dreifaltige Gott für die von Ihm erschaffenen Seelen? Das Gute.

Welche Gefühle hegt der für das Geschöpf, der das Gute für es erwünscht? Gefühle der Liebe.

Welches ist das erste und zweite Gebot, die zwei wichtigsten, von denen ich sagte, dass es keine größeren gebe und diese der Schlüssel zum ewigen Leben seien? Es ist das Liebesgebot: „Liebe Gott mit allen deinen Kräften; liebe den Nächsten wie dich selbst“.

Was habe Ich euch durch Meinen und den Mund der Propheten und Heiligen unendlich oft gesagt? Dass die Liebe die größte Absolution ist. Die Liebe verzehrt die Schuld und die Schwächen des Menschen, denn der, der liebt, lebt in Gott, und wenn er in Gott lebt, sündigt er wenig, und wenn er sündigt, bereut er das sofort, und der Reumütige erfährt die Vergebung des Allerhöchsten.

Worin haben sich die Seelen [im Fegefeuer] verfehlt? In der Gottesliebe. Hätten sie viel geliebt, hätten sie wenige und leichte Sünden begangen, die eurer Schwachheit und Unvollkommenheit zuzuschreiben sind. Die Seelen hätten sich jedoch nie in einem bewussten Beharren auch in den lässlichen Sünden versteift. Sie wären eifrig darum bemüht gewesen, ihren göttlichen Liebhaber nicht zu betrüben, und angesichts ihres guten Willens hätte der göttliche Liebhaber ihnen auch ihre lässlichen Sünden verziehen.


Wie macht man auf Erden eine Schuld wieder gut? Man sühnt sie, und wenn man irgend kann, durch das selbe Mittel, mit dem man sie begangen hat. Wer Schaden angerichtet hat, soll wiedererstatten, was er gewaltsam weggenommen hat. Wer verleumdet hat, soll die Verleumdung zurückziehen, und so weiter.

Wenn das schon die armselige menschliche Justiz verlangt, wie sollte dann die heilige göttliche Gerechtigkeit darauf verzichten? Und welches Mittel wird Gott anwenden, um die Wiedergutmachung zu erlangen? Sich Selbst, das heißt, die göttliche Liebe, und wird auch vom Sünder Liebe verlangen.

Dieser Gott, den ihr beleidigt habt, der euch doch so väterlich liebt, der sich mit seinen Geschöpfen verbinden will, hält euch dazu an, diese Verbindung durch Ihn Selbst zu erlangen.

Alles dreht sich um den Angelpunkt der göttlichen Liebe, Maria, außer für die wahren „Toten“: die Verdammten. Für diese „Toten“ ist auch die göttliche Liebe gestorben. Für die drei Reiche – das von Materie beschwerte: die Erde; dasjenige, das die Schwere der Materie abgestreift hat, nicht jedoch das Gewicht der Sünde: das Purgatorium; und schließlich jenes, dessen Bewohner die von jeder Last befreite geistige Natur mit ihrem himmlischen Vater teilen – ist die göttliche Liebe der alleinige Beweggrund. Indem ihr auf Erden liebt, arbeitet ihr für den Himmel. Indem ihr im Purgatorium liebt, erobert ihr den Himmel, den ihr im Leben nicht zu verdienen wusstet. Indem ihr im Paradies liebt, genießt ihr den Himmel.

Eine Seele, die im Fegefeuer ist, tut nichts anderes als zu lieben, nachzudenken und im Licht der göttlichen Liebe zu bereuen; es ist ja die Liebe, die für sie diese Flammen angezündet hat, die ihr jedoch zu ihrer Bestrafung Gott verbergen.

Darin besteht die Qual. Die Seele erinnert sich an die Gottesschau, die ihr bei ihrem Einzelgericht zuteil wurde. Sie nimmt die Erinnerung daran mit, und da allein schon der kurze Augenblick der Gottesschau eine Seligkeit ist, die alles Geschaffene übertrifft, ist die Seele begierig, diese Seligkeit wieder zu genießen. Diese Erinnerung an Gott und der Lichtstrahl, in den sie bei ihrem Erscheinen vor Gott getaucht wurde, bewirken, dass die Seele die von ihr begangenen Verfehlungen gegen ihr höchstes Gut in ihrem ganzen Umfang „einsieht“, und in dieser „Einsicht“ besteht die Pein ihrer Reinigung, zusammen mit der Erkenntnis, dass sie sich selbst freiwillig den Besitz des Himmels und die Vereinigung mit Gott auf Jahre oder Jahrhunderte hinaus versagt hat.

Die Liebe und die Gewissheit, die göttliche Liebe beleidigt zu haben, sind die Qualen der in der Reinigung Befindlichen. Je mehr eine Seele sich im Leben verfehlt hat, desto mehr ist sie von einem „grauen Star“ befallen, der ihr das Erwecken der vollkommenen Liebesreue, jener ersten Wirkkraft ihrer Reinigung und ihres Eintritts in das Reich Gottes, erschwert. Je mehr eine Seele sie durch die Sünde niedergehalten hat, desto mehr wird die Liebe in ihrer Lebendigkeit beschwert und behindert. Je mehr sie sich allmählich durch die Macht der göttlichen Liebe reinigt, beschleunigt sich ihre Auferstehung zur Liebe und schließlich ihre Eroberung der göttlichen Liebe, die in dem Augenblick, in dem ihre Sühneleistung zu Ende geht, vollständig ist, und sie nach Erreichen der Vollkommenheit der Liebe in die Stadt Gottes eingelassen wird.

Viele Gebete sind nötig, damit die Seelen, die, um die himmlischen Freuden zu erlangen, leiden, geschwind diese vollkommene Liebe erreichen, welche sie losspricht und sie Mir vereint. Eure Gebete, eure Fürbitten sind andererseits Verstärkungen jenes Liebesfeuers. Sie verstärken die Glut. Aber – o selige Qual! – sie verstärken ebenso die Liebesfähigkeit. Sie beschleunigen den Reinigungsprozess. Sie heben jene in dieses Feuer getauchten Seelen auf eine immer höhere Stufe. Sie bringen sie an die Schwelle des göttlichen Lichtes. Sie öffnen schließlich die Pforten des göttlichen Lichtes und führen die Seele in den Himmel.


Einer jeden solchen von eurer Liebe bewirkten Operation zu Gunsten derer, die euch in das zweite Leben vorausgegangen sind, korrespondiert ein Aufschwung der Gegenliebe zu euch. Der Liebe Gottes, die euch dankt, dass ihr euch um Seine sühnenden Kinder kümmert, sowie der Liebe der Büßenden, die euch danken, dass ihr euch dafür einsetzt, sie in den Genuß Gottes zu bringen.

Eure teuren Angehörigen lieben euch nie so sehr wie nach dem irdischen Tod, denn ihre Liebe ist von da an in das göttliche Licht getaucht, und in diesem Licht verstehen sie, wie ihr sie liebt und wie sie euch hätten lieben sollen.

Sie dürfen euch keine Worte mehr sagen, die eure Vergebung erbitten und Liebe schenken. Aber sie sagen sie Mir für euch, und Ich trage euch die Worte eurer Toten zu, die euch nunmehr so zu sehen und zu lieben verstehen, wie es recht ist. Ich trage sie euch zusammen mit ihrer Bitte um Liebe und mit ihrem Segen zu. Beides ist schon vom Fegefeuer aus gültig, da es ihnen bereits von der in ihnen erglühten und sie reinigenden Liebe eingegeben wurde. Ihre Bitte erreicht dann die vollkommene Gültigkeit, wenn sie, schon befreit, euch auf der Schwell des ewigen Lebens entgegenkommen werden, oder sich euch vereinen, falls ihr ihnen ins Reich der göttlichen Liebe vorausgegangen seid. (…)

Auszug aus “Die Hefte 1943“ von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit der Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch

Gebet für die Verstorbenen (Diktat Jesu an Maria Valtorta)

Vaterunser für die Verstorbenen nach der hl. Mechthild

Litanei für die Verstorbenen u. zum Trost der armen Seelen

Ablass zu Allerseelen

Gedenktafel der armen Seelen


1. November: Hochfest Allerheiligen

01/11/2010

„Die Gemeinschaft der Heiligen ist nicht auf die Glaubensbrüder beschränkt“

12. Januar [1944]

Jesus sagt:

(…) Aber wenn ihr „Kinder Gottes“ sein wollt, wahre Kinder, müsst ihr Liebe zu den im Geiste armen, für die im Geiste darbenden, für die im Geiste kranken, für die im Geiste unreinen Brüder haben. Erbärmlich sind ja die Götzendiener und notleidend die Schismatiker, krank die Sünder; unrein die von noch verhängnisvolleren Lehren abtrünnig gemachten als diejenigen der minderen christlichen Religionen, die zwar an Christus glauben, jedoch nicht Zweige des wahren Baumes sind, da sie nicht in Christus eingepfropfte Zweige, also wilde Schößlinge, die saure Frucht bringen, und der himmlischen Tischgemeinschaft nicht würdig sind. Die Güte Gottes beurteilt ja die Werke aller nach der Gerechtigkeit und gibt den „Guten“ ihren Lohn, denn das ist gerecht; dieser Lohn wird allerdings niemals so strahlend und voll sein wie der für die, welche wahre Kinder der wahren Kirche sind.

Viel wird dem vergeben, der viel liebt und auch als Angehöriger einer anderen Religion im Wahren zu sein glaubt. Aber da das Evangelium auch in den von Rom getrennten Ländern verkündet wird, wird auch viel von jenen Tauben verlangt werden, die die göttliche Stimme nicht hören und das göttliche Licht Jesu Christi nicht sehen wollten, das in Seiner Römisch-Apostolischen Kirche lebt.

Es steht euch Katholischen aber nicht zu, zu verurteilen. Ich habe gesagt: „Urteilt nicht“. (1) Ich habe gesagt: „Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge und dann den Splitter aus dem Auge des Bruders“. Viele Balken sind in euren Augen, o ihr katholischen Christen mit beschädigtem Glauben, mit allzu lauer Liebestätigkeit und den ganz verloschenen vier Kardinaltugenden. Viele. Allzu viele. Gebt Acht, dass euch nicht Götzendiener und Heiden in der Liebe Christi übertreffen und vor euch gelobt zu werden verdienen für ihren sicheren Glauben in der Religion ihrer Väter, für ihre Liebe zu dem ihnen bekannten Gott, für ihre tapfer gelebte Tugend.


Die Liebe reinigt auch das, das unrein und profan ist. Die Liebe hat Maria von Magdala (2) und Levi gereinigt. Wir können die nicht-katholischen Religionen mit diesen beiden im Evangelium genannten Erlösten, die durch ihre Liebe erlöst wurden, vergleichen. Ihr könnt glauben, Meine Kinder, dass die Anhänger dieser Religionen, die in der Gottesliebe leben, wie sie es gelehrt worden sind (Gott wird für den Irrtum ihrer Trennung von Rom allenfalls die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen), in Meinen Augen durch die in ihnen lebende Liebe gereinigt sind. Ich wiederhole: Sie werden danach gefragt werden, warum sie das von Rom gepredigte Evangelium nicht annehmen wollten; aber der Blick Gottes wird sich nicht von ihnen abwenden, da ihr unreiner Altar, der Altar ihres Geistes, durch ihre Liebe gereinigt erscheinen wird.

Haltet euch die Worte des hl. Petrus vor Augen: „Ich erkenne, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern in jeder Nation ist ihm der genehm, der ihn fürchtet und der Gerechtigkeit übt“. (3) Betrachtet also ohne geistige Überheblichkeit und Lieblosigkeit im Herzen die von Rom getrennten Brüder mit übernatürlichem Sinn und gießt eure tätige Liebe auf sie aus, um sie mit dem Rom Christi zu vereinen. Was auch immer ihr Irrtum sei.

Wenn ihr euch über Fleisch und Blut, über menschliches Denken erhoben haltet, können fleischliche und geistige Verbindungen euch nicht schaden, da ihr dann in Sphären lebt, in die keine Ansteckung vordringt. Bleibt in Mir. Ich bin die Verteidigung dessen, der in Mir lebt. Und gießt über alle jene Liebe aus, die ihr in Meinem Herzen für alle lebendig und allen als Lehrmeisterin findet.

Die Gemeinschaft der Heiligen ist nicht auf die Glaubensbrüder beschränkt. Sie ergießt sich über alle Lebenden, denn Ich bin es, der sie als Erster eingesetzt und ausgeübt hat, als Ich für alle Mein göttliches Blut vergossen habe.

Das Gebet für die von Mir Getrennten – für Schismen, Lehren, Sekten, Ungläubige – ist nichts anderes als Eifer für Meine Sache. Es ist nichts anderes als die Nachfolge eures Meisters, der sich keinen Schmerz ersparte, um die von Gott, dem himmlischen Vater getrennten Kinder zu Ihm zurückzubringen. (…)


(1) Vgl. Mt 7,1-5; Lk 6,37.41-42.

(2) Maria von Magdala, die in den valtortianischen Schriften mit der Sünderin identifiziert ist, der vergeben wird; vgl. Lk 7,36-50; Levi wurde bereits am 2. Januar erwähnt

(3) Vgl. Apg 10,34-35

Auszug aus “Die Hefte 1944“ von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit der Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch

„Vor Liebe sterben im Anblick meines leidenden Jesus“

12/10/2010

Der 12. Oktober 2010 ist der 49. Todestag von Maria Valtorta, nachfolgend ihre Aufzeichungen vom 7. März 1944:

.

(Maria Valtorta - mit Genehmigung des Centro Editoriale Valtortiano)

Am Abend des 7. März

Wem darf ich sagen, was ich leide? Niemand auf dieser Erde, denn es ist kein irdisches Leid und würde nicht verstanden.

Es ist ein Leiden, das Süßigkeit und eine Süßigkeit, die Leiden ist. Ich würde gern zehn-, hundertmal so viel leiden. Um nichts auf der Welt würde ich auf dieses Leiden verzichten wollen. Aber das schließt nicht aus, dass ich leide, als ob ich an der Kehle gewürgt, in einen Schraubstock gepreßt, in einem Glutofen brennen, bis ins Herz durchbohrt werden würde.

Wenn mir gewährt wäre, mich zu bewegen, mich von allem zu isolieren und singend und in Gesten meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen – denn es ist ja ein Leiden des Gefühls – hätte ich eine Linderung. Aber ich bin so wie Jesus an Seinem Kreuz. Bewegung oder Isolation sind mir nicht mehr gewährt, und ich muss die Lippen zusammenpressen, um nicht der Neugier den Anblick meiner seligen Todesnot preiszugeben.

Es ist keine bloße Redensart: die Lippen zusammenpressen! Ich muss eine ungeheure Anstrengung machen, um den Impuls zu unterdrücken, einen zugleich freudigen und übernatürlich peinvollen Schrei, der in mir gärt, auszustoßen, der wie eine Stichflamme oder wie ein Strahl herausbrechen möchte.

Die schmerzumflorten Augen Jesu: Ecce Homo (1) ziehen mich wie ein Magnet an. Ich habe Ihn vor mir, aufrecht auf den Stufen des Prätoriums, und Er schaut mich mit Seinem dornengekrönten Haupt, den gebundenen Händen über seinem weißen Narrenkleid, mit dem sie Ihn haben verhöhnen wollen, und doch haben sie Ihn damit in die Weiße gekleidet, die des Unschuldigen würdig ist.


Er spricht nicht. Aber alles an Ihm spricht, ruft mich an und verlangt. Was verlangt er denn? Dass ich Ihn liebe! Das weiß ich und das schenke ich Ihm, bis hin zu dem Mich-selbst-sterben-Fühlen, als hätte ich eine Klinge in meiner  Brust. Aber er verlangt noch etwas anderes von mir, das ich nicht verstehe. Das ich jedoch verstehen möchte. Und das ist meine Qual. Ich möchte Ihm alles, was Er nur wünschen kann, hingeben, auch bis zu einem qualvollen Tode. Aber das gelingt mir nicht.

Sein Schmerzensantlitz zieht mich an und fesselt mich. Schön ist es als das Antlitz des Meisters oder das des auferstandenen Christus. Aber Ihn als solchen zu schauen, erfüllt mich lediglich mit Freude. Dieses hier flößt mir eine tiefe Liebe ein, wie die einer Mutter für ihr leidendes Kind nicht tiefer sein könnte.

Ja, ich verstehe Ihn jetzt. Die Liebe der compassio (2) ist die Kreuzigung des Geschöpfes, das dem göttlichen Meister bis in die allerletzte Qual hinein folgt. Es ist eine geradezu despotische Liebe, die jeden anderen Gedanken in uns unterdrückt, der nicht Seinen Schmerz betrifft. Wir gehören nicht mehr uns selbst. Wir leben, um Seinen Qualen Trost zu spenden, und Seine Qualen sind unser Leid, das uns, nicht nur metaphorisch ausgedrückt, umbringt. Und doch ist uns jede Träne, die der Schmerz uns auspreßt, kostbarer als eine Perle, und jeder Schmerz, den wir als dem Seinen ähnlich erkennen, willkommen und wie ein kostbarer Schatz geliebt.

Pater, ich habe mich angestrengt, das, was ich empfinde, auszudrücken. Aber es ist unnütz. Von allen Ekstasen, deren Gott mich würdigen kann, wird es immer die Seines Leidens sein, die meine Seele in ihren siebten Himmel bringt. Vor Liebe sterben im Anblick meines leidenden Jesus, das, finde ich, ist der schönste Tod.

_______________

(1) vgl. Joh 19,5

(2) Die mit-leidende (compassione) oder teil-habende (compartecipazione) Liebe, von der im Diktat vom 13. Februar die Rede ist.

Auszug aus “Die Hefte 1944″ von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit der Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch


Hl. Rafael Arnaiz Baron (2)

09/09/2010

Hl. Rafael Arnaiz BaronAm 11. Oktober 2009 wurde der spanische Trappist Rafael Arnaiz Baron (1911-1938) heilig gesprochen. Dieser mit 27 Jahren in der Abtei San Isidro de Duenas verstorbene Mystiker beeindruckt durch seine tiefe Spiritualität und sein einfaches und frohgemutes Wesen, mit dem er vertrauensvoll sein Kreuz auf sich nahm. Dank der freundlichen Genehmigung  der Herausgeberin und des Bernardus-Verlags, bei dem die Gesamtausgabe der Schriften des Heiligen bestellt werden können („Nur Gast auf Erden?“),  veröffentlichen wir hier Auszüge aus denselben.

Den folgenden Brief schrieb er, während er sich bei seinem Onkel und seiner Tante in Avila aufhielt. Er wusste bereits, dass er sein Architekturstudium nicht fortsetzen, sondern nach Weihnachten in die Zisterzienserabtei (‚Trapa‘) San Isidro de Dueñas eintreten wird:


An seine Großmutter Fernanda von Avila aus

10. Dezember 1933 – 2. Adventssonntag – im Alter von 22 Jahren.

Liebste Oma! Heute hat mir Onkel Polìn Deinen Brief zum Lesen gegeben, und daraus ersehe ich, dass Du tatsächlich richtig gedeutet hast. Ich hatte nicht die Absicht, es Dir mitzuteilen, und das aus einem ganz einfachen Grund: meine Eltern wissen noch nichts. Ich habe seit vierzehn Tagen die Aufnahme in die ‚Trapa‘. Du verstehst sicher, dass ich an nichts anderes denke als an die große Gnade, die Gott mir gewährt hat, und ich höre nicht auf, dafür zu danken. Als ich das erste Mal nach Avila fuhr, kam ich nach dort, um es Onkel Polìn zu sagen. Ich war in Venta de Baños [am 24.11], stehe in Briefkontakt mit dem P. Magister, und morgen, Montag, fahre ich zu einer Besprechung in die Abtei und anschließend nach Oviedo, um es meinen Eltern zu sagen, die die Ersten sein sollen, die es erfahren. Ich möchte ihnen die Nachricht persönlich geben. Das ist meine Pflicht und eine Aufmerksamkeit, die sie verdient haben. So seid Ihr die einzigen Verwandten, die es wissen: Tante Marìa [Marìa Josefa] und Du, sowie mein geliebter Onkel Polìn und meine liebe Tante Marìa. Ich bitte Dich also um absolute Verschwiegenheit, die nicht lange dauern wird, denn möglicherweise erfahren es meine Eltern nächste Woche, weil ich wahrscheinlich Mittwoch in Oviedo bin.

Ich weiß schon, dass Du nicht überrascht bist über die Nachricht, und hoffe, dass es meine Eltern auch nicht sein werden. Seit Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, und seit Jahren ruft mich Gott auf zarte und ruhige Weise. Daher brauche ich nur eines zu tun: dem Ruf folgen. Die Sache ist recht einfach: hineilen… Dazu muss ich selbstverständlich viele Dinge überwinden und zerstören, aber dieses Zerstören dauert nur einen Augenblick. Später, wenn sich die Wunden schließen und Gott von uns Besitz ergreift, wird diese Zuneigung, auf die wir im ersten Moment zu verzichten meinen, größer und reiner, und sie wird in Gott geläutert. Dann ähneln sich die Menschen mehr – die einen in der Welt und die andern im Chor einer Abtei -, und sie lieben sich mehr, weil die wahre Liebe die in Christus begründete ist, und sie stützt sich auf die christliche Nächstenliebe.

Glaubt nur nicht, dass ich mich entferne; im Gegenteil: ich komme Gott näher, und wenn ich mit meinen Gebeten und Opfern erreiche, dass sich Ihm andere Menschen nähern, was mehr könnte ich erbitten und was mehr könnte ich mir wünschen? Ich verzichte also nicht auf die Zuneigung meiner Lieben, die sehr schön und sehr menschlich ist; ich möchte sie vielmehr umwandeln in etwas Erhabenes und Göttliches.

Liebe Oma, ich bitte Dich inständig darum, dass Du Gott um Kraft für meine Eltern bittest und mehr noch als um Kraft, um Verständnis. Und was mich betrifft, dass Gott mich erleuchte und mir seine Gaben schenke für das Unterfangen, das in den Augen der Menschen heroisch aussieht und das in Wirklichkeit nichts weiter ist, als dass ich versuche, auf eine bestimmte Art auf die zahlreichen Wohltaten des Herrn zu antworten, die Er mir erwiesen hat.

Und sag bitte nie, dass ich es Dir gesagt habe, bevor es meine Eltern erfuhren. Die Sache ist nun einmal so gelaufen – gelobt sei Gott! -, aber es war nicht meine Absicht.

Lobe Gott, liebe Oma, lob Ihn in jedem Augenblick, auch wenn Dich der Schmerz gefangenhält, wenn das Herz zerbricht und sogar die Trostlosigkeit Besitz von Dir ergreifen möchte! Lob Gott immerzu! Es gibt kein Gebet, dass Gott wohlgefälliger wäre, und auch kein Gebet, dass uns Ihm näherbringen könnte. Das wird – sehr bald – mein Leben ausmachen: ein Leben, das sich im Chor, bei der Arbeit und im Schweigen abspielen und sich auf eine einzige Sache beschränken wird: Gott in jedem Augenblick zu loben.

Vieles kommt mir in den Sinn, vieles könnte ich Dir sagen, aber wenn die Liebe echt und tief ist, kann man es schlecht in Worten ausdrücken. Sei also zufrieden mit meinem Schweigen, das Du vielleicht besser verstehst! Letztendlich ist es ein Vorgeschmack meines monastischen Schweigens.

Mein Brief ist auch kein Abschiedsbrief. Christen verabschieden sich nicht. Gott ist ihr Ziel, und bei Ihm werden wir uns alle wiedersehen für eine ganze Ewigkeit. Was bedeuten dem gegenüber ein paar Jahre? Nichts, absolut nichts! Sie kommen uns lang vor, weil wir ungeduldig sind im Hinblick auf die Ankunft an unserm Ziel, und sie sind kurz, weil Gott uns hilft, so dass sie rasch vorübergehen. Wir müssen sie nur gut nützen, denn sie sind kurz, um Gutes und lang, um Böses zu tun.

Umarme Tante Marìa ganz fest und lieb von mir. sie weiß schon, dass die Liebe echt ist, die ich zu ihr habe. Und Dir, liebe Oma, was soll ich Dir sagen? Was ich Dir schicke, weißt Du schon. Ich erhoffe von Dir nur den Segen für Deinen ältesten Enkel

Rafael

zurück zum ersten Teil der Auszüge aus den Schriften Bruder Rafaels

weiter zum dritten Teil

„Mir als Jünger nachzufolgen, will heißen…“

04/09/2010
zum Sonntagsevangelium vom 5. September 2010: Lukas 14,25-33

Während die Frauen stehenbleiben, wo es ihnen erlaubt ist, begibt sich Jesus mit den Jüngern zum Gebet an den Ort der Hebräer. Nachdem alle Riten vollzogen sind, kommt er zurück, um mit den im Vorhof der Heiden Wartenden zusammenzutreffen.

Die sehr weiten und hohen Säulenhallen sind voller Menschen, die den Lesungen der Rabbis lauschen. Jesus begibt sich dorthin, wo er die beiden Apostel und die vorausgesandten Jünger warten sieht. Sofort bildet sich eine Gruppe um ihn; zu den Aposteln und Jüngern gesellen sich zahlreiche Personen aus der Menschenmenge im marmornen Hof. Die Neugierde ist so gross, dass auch einige Schüler der Rabbis – ich weiß nicht, ob freiwillig oder von ihren Meistern geschickt – sich der Gruppe um Jesus anschließen.


Jesus fragt ganz unvermittelt: „Warum drängt ihr euch so um mich? Sagt es. Ihr habt doch bekannte und weise Rabbis, die ein großes Ansehen genießen. Ich bin der Unbekannte, der Unerwünschte. Warum kommt ihr also zu mir?“

„Weil wir dich lieben“, sagen einige, und andere: „Weil deine Worte anders sind als die der anderen“, und wieder andere: „Um deine Wunder zu sehen“, und: „Weil wir von dir gehört haben“, und: „Nur du allein hast Worte des ewigen Lebens, und deine Werke entsprechen deinen Worten“, und schliesslich: „Weil wir uns deinen Jüngern anschließen wollen.“

Jesus schaut jeden einzelnen Sprecher an, als wolle er ihn mit seinem Blick durchbohren, um seine verborgensten Gefühle kennenzulernen, und mancher, der dem Blick nicht standhält, entfernt sich oder versteckt sich wenigstens hinter einer Säule oder hinter Leuten, die größer sind als er. Jesus fährt fort:

„Aber wißt ihr auch, was es heißt und was es sein soll, mir nachzufolgen? Ich antworte nur auf diese Worte, denn die Neugierde verdient keine Antwort, und wer nach meinen Worten hungert, hat folglich auch Liebe zu mir und das Verlangen, sich mir anzuschließen. Die Leute, die mit mir gesprochen haben, kann man in zwei Gruppen aufteilen: in die der Neugierigen, denen ich keine Aufmerksamkeit schenke, und in die guten Willens, die ich ohne Täuschung über das Ausmaß dieser Berufung unterrichte.

Mir als Jünger nachzufolgen will heißen, auf jede andere Liebe zu verzichten und nur eine einzige Liebe zu haben: die Liebe zu mir. Eigenliebe, sündige Liebe zu Reichtum, Sinnlichkeit oder Macht, ehrenhafte Gattenliebe, heilige Liebe zur Mutter und zum Vater, natürliche Liebe zu den Kindern und den Geschwistern, all das muß meiner Liebe weichen, wenn einer mir angehören will. Wahrlich, ich sage euch: freier als die Vögel, die in den Lüften umherschweifen, müssen meine Jünger sein, und freier als die Winde, die am Firmament dahinziehen und von niemandem und von nichts aufgehalten werden können. Frei, ohne schwere Ketten, ohne die Bande irdischer Liebe, ohne die feinen Spinngewebe selbst der leichtesten Schranken. Der Geist ist wie ein zarter Schmetterling, der im schweren Kokon des Fleisches eingeschlossen ist, und es genügt das schillernde, feine Gewebe einer Spinne, um seinen Flug zu erschweren oder ganz zu verhindern. Diese Spinne ist die Sinnlichkeit und die Trägheit im Opferbringen. Ich will alles, ohne Rückhalt. Der Geist bedarf dieser Freiheit im Geben, dieser Hochherzigkeit im Schenken, um die Gewißheit zu haben, dass er nicht im Spinngewebe der Zuneigungen, der Gewohnheiten, der Erwägungen und der Befürchtungen hängenbleibt; im dichten Spinngewebe, das von der riesenhaften Spinne, dem Seelenräuber Satan, gewoben wird.

Wenn einer zu mir kommen will und nicht heiligmäßig seinen Vater, seine Mutter, seine Gattin, seine Kinder, seine Brüder und Schwestern, ja, sogar sein eigenes Leben hasst, kann er nicht mein Jünger sein. Ich habe gesagt: „heiligmäßig“. Ihr sagt in eurem Herzen: „Haß kann nie heilig sein, er selbst lehrt es. Daher widerspricht er sich.“ Nein. Ich widerspreche mir nicht. Ich sage, man soll hassen, was die wahre Liebe beschwert: die leidenschaftliche, erdgebundene Liebe zu Vater und Mutter, zu Frau und Kindern, zu Brüdern und Schwestern und zum eigenen Leben. Andererseits verlange ich von euch, dass ihr eure Verwandten und das Leben mit der leichten Freiheit, die der Seele eigen ist, liebt. Liebt sie in Gott und durch Gott, doch zieht sie niemals Gott vor, und seid darum bemüht, sie zu dem Gott zu führen, bei dem der Jünger schon ist, zum Gott der Wahrheit. So werdet ihr die Verwandten und Gott heiligmäßig lieben, die beiden Arten der Liebe miteinander versöhnen, und die Bande des Blutes nicht zur Last, sondern zu Flügeln, nicht zur Schuld, sondern zur Gerechtigkeit werden lassen.

Ihr sollt auch bereit sein, euer Leben zu  hassen, um mir zu folgen. Derjenige haßt sein Leben, der es in meinen Dienst stellt und nicht fürchtet, es zu verlieren oder, menschlich gesprochen, es traurig zu verbringen. Aber es ist nur ein scheinbarer Haß, ein Gefühl, das irrtümlicherweise Haß genannt wird von dem Menschen, der sich nicht über sein rein irdisches Dasein erheben kann und nur wenig über dem Tier steht. In Wirklichkeit ist dieser scheinbare Haß, der im Verzicht auf sinnliche Befriedigungen besteht, um den Geist besser gedeihen zu lassen, Liebe. Liebe, und zwar die höchste und segensreichste Liebe, die es gibt.

Dieser Verzicht auf niedrige Genugtuungen und auf die Sinnlichkeit der Zuneigung, dieses Auf-sich-Nehmen von Tadel und ungerechten Bemerkungen, diese Gefahr, bestraft, verschmäht, verflucht und vielleicht sogar verfolgt zu werden, bedeuten eine Reihe von Qualen für uns. Aber man muß sie umarmen und sie auf sich nehmen wie ein Kreuz, wie einen Schandpfahl, an dem man jede vergangene Schuld sühnt, um gerechtfertigt vor Gott zu erscheinen, von dem wir jegliche Gnade, die wahre, mächtige heilige Gnade Gottes empfangen, auch für jene, die wir lieben. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nicht nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.

Gustave Doré: Verspottung Jesu

Überlegt es euch daher sehr gut, ihr, die ihr sagt: „Wir sind gekommen, um uns deinen Jüngern anzuschließen.“ Es ist keine Schande, sondern Weisheit, wenn man sich prüft und dann sich selbst und den anderen bekennt: ich habe nicht das Zeug, ein Jünger zu werden. Selbst die Heiden haben als Grundlage einer ihrer Lehren die Notwendigkeit, „sich selbst zu erkennen“, und ihr Israeliten, wäret ihr dazu nicht fähig, um den Himmel zu erringen?

Denn, erinnert euch immer: selig jene, die zu mir kommen werden. Aber besser ist es, nicht zu kommen und Sohn des Gesetzes zu bleiben wie bisher, als mich und den, der mich gesandt hat, zu verraten.

Wehe denen, die gesagt haben: „Ich komme“, und dann Christus schaden, weil sie die christliche Lehre verraten, die den Kleinen und den Guten Ärgernis geben! Wehe ihnen! Dennoch wird es sie geben, und immer wird es sie geben!

Macht es daher wie der Mensch, der einen Turm bauen will. Zuerst berechnet er genau die Kosten und zählt sein Geld, um zu sehen, ob er genügend hat, um ihn fertigzustellen; damit er, wenn die Grundmauern einmal beendet sind, nicht die Arbeit einstellen muß, weil kein Geld mehr da ist. In diesem Fall würde er auch das verlieren, was er zuvor hatte, ohne Turm und ohne Geld bleiben und sich noch dazu den Spott der Menschen zuziehen, die sagen würden: „Dieser hier hat zu bauen angefangen, ohne fertigbauen zu können. Nun kann er sich den Bauch mit den Ruinen seines unvollendeten Bauwerkes füllen.“

Macht es auch wie die irdischen Könige und zieht aus den nichtigen Ereignissen dieser Welt eine übernatürliche Lehre. Wenn ein König Krieg gegen einen anderen König führen will, überlegt er alles, das Für und Wider, ruhig und sorgfältig. Er berechnet, ob der Nutzen, den er von der Eroberung hat, das Lebensopfer seiner Untergebenen wert ist. Er prüft, ob seine Streitkräfte, die zwar tapfer, aber auch geringer an Zahl als die des Gegners sind, einen Ort erobern können; und wenn ein König sich eingestehen muß, dass es unwahrscheinlich ist, dass zehntausend Mann zwanzigtausend besiegen, wird er, bevor er es zum Krieg kommen läßt, dem Gegner eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken schicken, um ihn zu besänftigen und den Verdacht zu beseitigen, den er durch seine Kriegsvorbereitungen erweckt hat. Er wird ihn mit Freundschaftsbezeugungen entwaffnen und einen Friedensvertrag mit ihm abschliessen, der tatsächlich immer noch vorteilhafter ist als Krieg, sowohl in menschlicher als auch in geistiger Hinsicht.

So müßt auch ihr es machen, bevor ihr ein neues Leben beginnt und der Welt entgegentretet. Denn dies ist die Aufgabe meiner Jünger: aufzutreten gegen die stürmischen und wilden Strömungen der Welt, des Fleisches und Satans. Wenn es euch an Mut fehlt, aus Liebe zu mir auf alles zu verzichten, dann kommt nicht zu mir, denn ihr könnt nicht meine Jünger sein.“

Auszug aus “Der Gottmensch“, Band V von Maria Valtorta. Veröffentlicht mit der Genehmigung des Herausgebers Centro Editoriale Valtortiano srl. Isola del Liri (FR), www.mariavaltorta.com, dem die Rechte für die Werke Maria Valtortas gehören. Um die Bücher Maria Valtortas in deutscher Sprache zu erwerben bitte wenden an den Parvis-Verlag, 1648 Hauteville, Schweiz: book@parvis.ch, www.parvis.ch

‚Love-Parade‘: ist das Unglück eine Strafe Gottes?

09/08/2010

Eva Herman soll das gesagt haben, nur wo? Vermutlich wird ihr Satz „Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen.“ dementsprechend interpretiert. Eventuell – andere Mächte – dem Treiben ein Ende setzen. Gott hat sie noch nicht einmal genannt.

Zwei Wochen nach dem allgemeinen Aufschrei, der nach E.H.s Artikel durchs Land ging, meldet sich nun der Salzburger Weihbischof Laun in seiner Kolumne „Klartext“ auf kath.net zu Wort. Ganz klar ist allerdings nicht, was er schreibt. Zu Anfang hält er fest, dass es keinem Menschen zusteht zu behaupten, der Tod der Verunglückten sei eine gerechte Strafe Gottes für die Sündigkeit der ‚Love-Parade‘.

Weihbischof Laun

Weihbischof Laun

Danach führt er weiter aus: „Das Mitleid mit den Opfern ist eine Sache, eine andere die Feststellung: ‚Love-Parade‘ und Teilnahme an ihnen sind, abgesehen von ihrem abstoßenden Erscheinungsbild, objektiv eine Art Aufstand gegen die Schöpfung und gegen die Ordnung Gottes, sind Sünde und Einladung zur Sünde! Sie dürfen nicht schöngeredet werden als ‚harmloses Feiern‘ netter junger Menschen!“ Wir freuen uns über so deutliche Worte. Und weiter geht es: „Dazu kommt: So falsch die konkrete, moralische Verurteilung der Toten ist und bleibt, wäre es doch auch höchste Zeit zu fragen, warum viele Menschen heute auf den Begriff  ‚Strafe‘ wie von der Tarantel gebissen reagieren!“

Das fragen wir uns allerdings auch, bzw. scheint der Ausdruck ‚Strafe Gottes‘ unerträglich zu sein. Ein Erklärungsversuch wäre, dass sich das menschliche Gewissen eben doch nicht ganz ausschalten lässt und nun getroffen aufschreit. Der Gedanke, dass unsere heutige Lebensweise Strafe/ Zurechtweisung erfordert und Konsequenzen haben wird, scheint ins Schwarze zu treffen und ruft Angst und heftige Abwehrreaktionen hervor.

Danach werden wir allerdings verwirrt, denn der Herr Weihbischof, der einleitend noch schrieb, niemand dürfe behaupten, es handele sich um Gottes Strafe, schreibt nun, dass das Unglück durchaus im Zusammenhang mit dem sündigen Status der Veranstaltung und folgerichtig auch mit dem richtenden und strafenden Gott in Zusammenhang stehen könnte. Ja, wenn es denn möglich ist, warum darf man diese Meinung nicht vertreten? Das ist doch kein Verurteilen.

Deutlich sagt der Weihbischof, dass die Möglichkeit einer Strafe Gottes durchaus katholisch ist und führt einleuchtende Zitate aus dem Alten und Neuen Testament, sowie von Papst Benedikt an. Gott strafe aus Liebe, um den Menschen zurückzuholen oder aber der Mensch strafe sich selbst durch sein böses Tun und schliesse sich im schlimmsten Fall selbst in die Hölle aus, so der Weihbischof.

Diese Aussagen haben natürlich auch wieder heftige Reaktionen hervorgerufen, Herr Weihbischof Laun hat daraufhin in einer etwas aufgebrachten Klarstellung zurückgerudert und schreibt nun: „Die genannte Idee war und ist zwar eine ‚Denkversuchung‘, aber sie ist weder christlich noch vernünftig!“ Da lässt er uns aber ratlos zurück! Ist die Möglichkeit einer Strafe Gottes trotz seiner angeführten Belege also nur eine (unchristliche!) Theorie, die weder gedacht, geschweige denn öffentlich ausgesprochen werden darf? Hoffentlich äussern sich noch weitere Bischöfe und Priester mit einer klaren Stellungnahme zu diesem aufrüttelnden Thema.

Erster Artikel des Weihbischofs

Zweiter Artikel (Klarstellung)


Danke, Eva Herman,

26/07/2010

für Ihre deutlichen Worte bzgl. der sogenannten „Love-Parade„! Sie trauen sich, die Dinge beim Namen zu nennen, was heutzutage eine Seltenheit ist.

Stellungnahme unsererseits, nachdem einige Kommentare zu dem Artikel eingetroffen sind:

Frau Herman zu unterstellen, sie empfände kein Mitleid, ist daneben, sie drückt ihr Beileid für die betroffenen Familien und Angehörigen in dem Artikel aus. Wenn jemand mutig Klartext schreibt, der im Widerspruch zum vorherrschenden Meinungsdiktat steht, wird er gleich als Unmensch oder Nazi abgestempelt, das ist die übliche Masche, um jemanden mundtot zu machen. Sünder sind wir, nebenbei bemerkt, alle, deshalb müssen wir aber nicht unseren Mund halten.

Eva Herman hat mit ihrem Artikel in ein Wespennest gestochen: indem sie die sog. Love-Parade charakterisiert und aufzeigt, wie dekadent es dort zugeht, werden wir mit unserer heutigen verqueren, selbstgefällig-triebhaften Lebensweise konfrontiert, das ruft empörte aufgebrachte Reaktionen hervor. Da wird unschuldig und harmlos getan, aber diese Veranstaltung ist keineswegs ein friedliches, fröhliches Fest für junge Menschen, und es ist gleichzeitig naiv und überheblich zu glauben, dass solche Art Zusammenkünfte keine unguten Auswirkungen haben. Auch wenn da sicher nicht alle unter Drogeneinfluss stehen, die allgemeine Energie geht in eine ungute Richtung- im Ernst: würden Sie Ihre Kinder da guten Gefühls hinlassen?

Das vorherrschende Denken und Benehmen ist so, als gäbe es keinen Gott und keine verbindliche Wahrheit, sprich Gebote, die doch in unser Herz gelegt sind, das sich mit der Stimme des Gewissens meldet. Die empörten Reaktionen zeigen, dass es aktiv ist, sonst würde dieser Artikel nicht so hohe Wellen schlagen, so viel Interesse finden, wie auch der überlastete Server des Kopp-Verlags zeigt. Wenn es diese verbindlichen Gebote gibt, ist es unmöglich, dass es keine Auswirkungen hat, wenn diese übertreten werden. Aus Ordnung entsteht dann Unordnung/ Chaos mit verheerenden, selbst eingebrockten Konsequenzen, das können wir heute an allen Ecken und Enden sehen.

Geleugnet wird heute allgemein auch die Existenz Satans, des gefallenen Engels. Es fehlt das Bewusstsein dafür, dass ein Kampf zwischen Gut und Böse im Gang ist, dass dieser Feind uns hasst und den ewigen Tod für unsere Seelen will. Er greift uns über unsere Schwachstellen an: Gier nach Macht, Geld und Sinnlichkeit. Zur letzten Kategorie gehört eindeutig die sog. Love-Parade mit ihrem Missbrauch des Begriffs „Liebe“, wo es doch um Triebe geht.